Was ist passiert?
Am Dienstag, 14.10. sagte Kanzler Merz bei seinem Antrittsbesuch beim brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidtke zu den Leistungen der aktuellen Regierung:
„Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24/August 25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Warum ist das ein Problem?
- Migration wird mit „Problem“ gleichgesetzt.
Das ist erstens zu einfach und zweitens nicht wahr. - Merz‘ vereinfachte Darstellung suggeriert, dass man Zugewanderte am Aussehen erkennen kann.
Wie Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Donnerstag im Bundestag sagte: „Wie sieht man denn das Problem außer an der Hautfarbe der Menschen? Wie wollen Sie dieses Problem denn erkennen?“
Damit ist klar, dass bei Merz folgende Schlussfolgerung abläuft: „Fremdartiges Aussehen = zugewandert = Problem“. Das ist Rassismus. - Er ignoriert (wir dürfen annehmen: bewusst), dass es auch in Deutschland geborene Menschen mit dunklerer Hautfarbe, schwarzen Haaren oder was für Merkmalen auch immer gibt.
- Zumal setzt er damit implizit jede Form von Zuwanderung mit „illegaler Migration“ gleich.
- Merz zündelt mit seiner Aussage.
Die Hamburger Soziologin Nina Perkowski erklärt: Der Begriff Stadtbild „greift ein unklares Gefühl der Fremdartigkeit und der Angst auf, ohne genau zu beschreiben, was damit gemeint ist. Der Begriff fungiere als beschönigender Code für ‚die sichtbare Anwesenheit von Menschen, die als nicht-deutsch oder nicht-weiß wahrgenommen werden, und zwar unabhängig von ihrer tatsächlichen Staatsbürgerschaft‘“. Die Formulierung ist „nicht neutral beschreibend“ und konstruiert „ein kollektives Gefühl des Unwohlseins“. - Merz suggeriert, dass Abschiebungen die Lösung für das Problem gefühlter Unsicherheit sind.
- Kontrastbeispiel Angela Merkel 2017 im Gespräch mit Jörg Meuthen zur Frage, was Meuthen in deutschen Innenstädten wahrnimmt: Sie wisse nicht „was Sie sehen, denn ich kann auf der Straße Menschen mit Migrationshintergrund, die deutsche Staatsbürger sind, und solche, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, nicht unterscheiden“.
Wie stellen wir OMAS uns dazu?
In unseren Statuten steht, dass wir uns einsetzen für die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen sowie für Toleranz und respektvolles Miteinander. Wir widersetzen uns Bewegungen, die eine Spaltung unserer Gesellschaft anstreben, der Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft und natürlich Rassismus.
Deshalb können wir die Aussage von Bundeskanzler (!) Merz so nicht stehenlassen. Unsere Botschaft zum Kopieren und Verbreiten:

Demobericht
Am 20.10. bekräftigte der Kanzler seine Stadtbild-Theorie und beantworte die Frage, was genau er mit seiner Äußerung gemeint habe, … nicht, denn er gab dem fragenden Journalisten Folgendes zurück: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte – ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort.“
(Dazu kann man anmerken, dass die rechte Seite des politischen Spektrums ja gerne den Schutz von Frauen vorschiebt, wenn es ihr in den Kram passt. Was natürlich noch lange nicht heißt, dass man auch wirklich konkrete Maßnahmen ergreifen würde, um Frauen tatsächlich zu schützen. Und die echten Töchter würden sich sicherlich freuen, wenn die Regierung den Klimaschutz stärkte und ihnen eine bewohnbare Erde hinterließe.)
Die Kritik wurde lauter und massiver, die Demos zahlreicher, sodass Merz sich am 22.10. genötigt sah, seine Äußerungen zu „erläutern“, mit dem Effekt, dass von seinen ursprünglichen Aussagen kaum noch etwas übrig blieb: Generell brauchten wir Einwanderung und der Arbeitsmarkt unbedingt Menschen mit Migrationshintergrund. Stören tun ihn lediglich „Migranten ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht und Arbeit, die sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln halten“ (Stand Juni 2025 sind das rund 41.500 Menschen in ganz Deutschland). Es bleibt Merz’ Geheimnis, wie er beide Gruppen mit dem Auge im Stadtbild auseinanderhalten will.
Das Hildesheimer Bündnis gegen Rechts hat am 25.10. eine spontane Demonstration gegen Merz’ unsägliche Äußerung veranstaltet. Motto: „What the Fritz??? Wir sind das Stadtbild!“
Mehrere hundert Menschen fanden sich zur Demo am Hauptbahnhof ein, um zu zeigen, wie problematisch sie Merz’ Reden hielten, und wir OMAS waren natürlich auch dabei!


